(Teil II von II)
Dies ist Teil 2 eines zweiteiligen Artikels. Um Teil 1 zu lesen, klick bitte hier.
Im Analogieschluss können wir diese Beobachtungen auch auf eine Situation anwenden, in der wir nach dem richtigen Medium suchen, um unsere Mitteilung zu transportieren. Grundsätzlich ist sofort offensichtlich, dass die Form des Kommunikationsmittels eine bedeutende Rolle spielt: Wir nehmen jede Botschaft im Kontext ihrer Übertragung wahr und jede Form eröffnet uns individuelle Ausdrucksmöglichkeiten.
Die vier aristotelischen Ursachen lassen sich ausgezeichnet als eine Methode nützen, um das richtige Medium zu wählen. Ein Beispiel:
Warum, ist rasch erklärt: Die Form könnte eine SMS sein, aber hier liegt ein Widerspruch zu zwei anderen Punkten vor. Die SMS bietet mir nämlich nur wenig Spielraum, mich zu artikulieren und sie wird schnell weggedrückt und vergessen. Entweder die Empfängerin löscht sie sofort oder sie versinkt im elektronischen Archiv. Das widerspricht, erstens, der Zielursache: Ich möchte bleibenden Eindruck hinterlassen. Zweitens besteht ein Konflikt mit dem Material: Meine Gedanken passen nicht in eine SMS.
Beides lässt sich leicht mit einer Postkarte lösen: Ich habe mehr Platz und die Handschriftlichkeit zeigt der Adressatin, dass ich mir Zeit für sie genommen habe. Meine Worte erhalten so größeres Gewicht und eine Karte mit schönem Motiv erhöht ihre Wirkung zusätzlich. Die Empfängerin wird sich länger an meine Botschaft erinnern und die Karte oft auch physisch aufbewahren, vielleicht sogar an die Wand hängen, wo sie fortan in ihrem täglichen Leben immer wieder mal aufblitzen wird.
Aristoteles’ Beobachtungen ermöglichen uns die Befreiung aus der Verhedderung im Mediennetz der Gegenwart. Seine Betonung der Form verdeutlicht uns, dass es beim Kommunizieren nicht immer nur darum geht, schnörkellos das allernötigste Minimum zu vermitteln, sondern, je nach Anlass, bewusst zwischen verfügbaren Medien zu wählen. Sonst kommt es zu einem paradoxen Effekt: Wir haben mehr Kommunikationstechnologien zur Verfügung, nutzen aber weniger. Wir verarmen kulturell, weil wir uns selbst grundlos einschränken.
Alle Medien haben ihren Platz, aber Aristoteles weist uns freundlich darauf hin, dass in der zwischenmenschlichen Verständigung Ästhetik, Individualität und die Zelebration von Kulturtechniken wie Kunst und Handschrift besonders bedeutsam sind. Dafür steht die meisterlich gestaltete Postkarte mit auserlesenen und berückend schönen Motiven aus der Malerei oder Photographie.
So weit, so gut. Natürlich kann man jede Idee stets noch ein bisschen besser mithilfe von Babys und ihrem Umgang mit Spielzeug veranschaulichen. Vielleicht hast Du als kleines Kind mit einem Steckwürfel gespielt – Du weißt schon, diese Box mit den vielen Öffnungen in Form geometrischer Figuren, in die man die passenden Klötze (Sterne, Kreise,…) drücken muss.
So ähnlich wie der hier, bloß wahrscheinlich richtig dreidimensional und im Einklang mit den Gesetzen der Physik gebaut:Du kannst natürlich versuchen, Deine sternförmige Zuneigungsbekundung mit Gewalt in eine kreisförmige Öffnung zu quetschen, und wenn das Material aus billigem Plastik besteht und somit biegsam genug ist, wirst Du es auch irgendwie in das Behältnis bekommen. Aber deutlich eleganter wäre es doch, Deine Gedanken stilgerecht in die passende Form der Postkarte zu stecken und sie so ohne Gewalteinwirkung in den Kopf des Empfängers zu transferieren. Also, warum sollte man eine persönliche Mitteilung wie ein formenblindes Baby in eine SMS zwingen, wenn sie doch besser in eine Postkarte passt?
Lieber David, du sprichst mir aus der Seele, wenn du schreibst: "dass es beim Kommunizieren nicht immer nur darum geht, schnörkellos das allernötigste Minimum zu vermitteln, sondern, je nach Anlass, bewusst zwischen verfügbaren Medien zu wählen. " Wie auch beim Sprechen der Ton die Musik macht, vermag im Schriftlichen bereits das Medium eine Botschaft komplett zu verändern. Und ja, da spricht auch die Romantikerin aus mir. ;)
Danke für den tollen Text!
Liebe Gudrun, danke für die netten Worte. Ich habe soeben einen neuen deutschen Blogeintrag (The medium is the message. Teil 1.) online gestellt.
Nachdem in diesem Artikel ein Baby aufgetaucht ist, hält der nächste Post eine Babykarotte bereit. Wobei, um die Karotte geht es eigentlich nicht. Sie spielt – passend zu ihrem Namen – nur eine kleine Rolle. Aber sieh selbst… :)
warte schon dringend auf eine Fortsetzung :-)
und die Seite gefällt mir jetzt insgesamt sehr gut
Das Kind hat mich wohl mit seinen unausgewachsenen Miniaturohren nicht vollständig verstanden. Dementsprechend hat es dann auch nur diesen halbfertigen und schiefen Steckwürfel gezeichnet. Man sieht: Angemessene Kommunikation ist wichtig! Ich hätte dem kleinen Lauser vermutlich eine Postkarte senden sollen!
David Weger (Writer for Istillwritecards)
February 19, 2017
Liebe Johanna, danke für das aufmerksame Lesen! :)